Heute entführen wir dich in den äußersten Nordwesten Deutschlands, das Zuhause von unnachgiebigen Windböen, zahllosen Schafen und den Weltmeister:innen des Teetrinkens. Sagenhafte 300 l trinken die Ostfries:innen jährlich pro Kopf, vor allem ihren geliebten Schwarztee, den sie in einem besonderen Ritual zu sich nehmen. Die ostfriesische Teekultur ist gelebte Tradition, weshalb die UNESCO sie 2017 sogar zum immateriellen Kulturerbe erklärt hat. Tauch ein in die Welt des ostfriesischen Tees!
Teezeit in Ostfriesland: Wo der Tee regiert
Innerhalb von Deutschland gibt es regional vielfältige Teetraditionen und –vorlieben. Bei den Ostfries:innen wird dem Teegenuss ein besonders wichtiger Stellenwert beigemessen. Sie trinken immer Tee. Oder zumindest scheint es so: Bis zu sechs Teetieds (Teezeiten) strukturieren den Alltag der Menschen in Ostfriesland. Sie zelebrieren Tee nicht nur als Getränk, sondern als Teil ihrer kulturellen Identität. Tee gehört einfach dazu, allerdings nicht irgendein Tee. Mit großer Vorliebe fällt die Wahl auf Ostfriesentee, eine kräftige Mischung bestehend aus mehreren Schwarzteesorten, hauptsächlich Assam. Nur Tee, der lokal gemischt und verpackt wird, darf sich so nennen. In einem raffinierten Ritual wird dieser zusammen mit Kluntje (Kandiszucker) und einer Sahnewolke (Wulkje) serviert. Das Beisammensein in geselliger Runde ist hier nicht weniger wichtig als der Genuss von köstlichem Tee. Die Teetied bietet Gelegenheit, den Alltag zu entschleunigen und gemeinsam zu verweilen.

Die ostfriesische Teezeremonie – Eine unverwechselbare Teepause
Die Teezeiten verteilen sich von morgens bis abends über den Tag und geben ihm Rhythmus und Struktur. Es gilt das Motto “Ostfriesische Gemütlichkeit hält stets ein Tässchen Tee bereit“. Die Hauptteezeit ist für viele Ostfries:innen nachmittags um 15 Uhr, wo gerne auch süße Knabbereien oder Kuchen bereitgestellt werden. Mindestens drei Tassen Tee solltest du trinken, sonst könntest du von der gastgebenden Person als unhöflich oder gar beleidigend aufgefasst werden.
Ein weiterer Teil der ostfriesischen Teekultur ist das “Elführtje”. Diese besondere Teestunde findet am Vormittag, in der Regel sonntags, um 11 Uhr statt. Besonders im Rahmen von Feierlichkeiten wie Jubiläen kommen Nachbar:innen, Freund:innen oder Familie hier zusammen und ziehen das Elführtje auch gerne mal bis in den Abend. Dabei beschränkt sich die Getränkeauswahl oft nicht nur auf Tee.

Die Kunst der Teezubereitung: So wird Tee zum Genuss
Was die Zubereitung des Tees anbelangt, gibt es konkrete Regeln, die das ostfriesische Teeritual auszeichnen. Nachdem der Tisch vorbereitet und der Tee aufgebrüht wurde, legst du dir ein Stück Kluntje in deine Tasse. Als nächstes kommt der heiße Tee hinzu. Wenn du genau hinhörst, kannst du dem Knistern des zerspringenden Kluntjes lauschen, der langsam seine Süße an den Tee abgibt. Nun gibst du mit einem Löffel vorsichtig die Sahne auf den Tee, die sogenannte Wulkje (Sahnewolke) entsteht.
Zwar wirst du einen Teelöffel auf deinem Unterteller finden, ein Umrühren des Tees kommt aber nicht in Frage. Erst wenn du mit dem Teetrinken fertig bist, kommt der Teelöffel zum Einsatz. Wenn du ihn in deine leere Tasse tust, signalisiert du der gastgebenden Person, dass du keinen Tee mehr möchtest. Das tust du aber am besten erst, nachdem du entsprechend der Etikette mindestens drei Tassen getrunken hast. Aber weshalb sollst du den Tee nicht umrühren? Die Idee ist, mit jedem Schluck verschiedene Geschmäcker zu erleben. Dein erster Schluck wird sahnig-weich, der nächste stärker nach Tee schmecken und zum Ende hin wird die Süße des Kluntje überwiegen. Sitzen Kinder oder auch erwachsene Naschkatzen mit am Tisch, wirst du vielleicht hier und da einen Kluntje im Mund knacken hören.
Der Tee-Tisch: Herzstück der ostfriesischen Gemütlichkeit
Der traditionelle ostfriesische Teetisch ist mit Porzellan bestückt. Besonders begehrt ist das Dresmer Teegood (Dresdener Teegut), das mit roten Rosen verziert ist und von einer der ältesten Porzellanmanufakturen Europas gefertigt wird. Aber auch etwaige andere Tee-Services, gerne mit Blumen- oder blauen Ornamenten, wirst du auf den Tischen der Ostfries:innen finden.
Neben dem schön hergerichteten Tee-Tisch ist auch die Bedeutung des ostfriesischen Wasserhahns für das Teeritual nicht zu unterschätzen. Ostfriesisches Leitungswasser schmeckt ganz besonders und hat einen großen Einfluss auf den Geschmack des Tees. Vielen schmeckt ihre liebste Ostfriesenmischung mit dem Wasser anderer Regionen bei weitem nicht so gut wie in der Heimat. Ostfriesische Teemischungen sind nämlich für das kalkarme Leitungswasser in Ostfriesland geschaffen, das die vielfältigen Aromen des Tees hervorhebt. Wer daran gewöhnt ist, den wird die Tasse Ostfriesentee anderenorts womöglich enttäuschen.

So feiert Ostfriesland: Tee und Geselligkeit
Die Teetied bietet Momente des Wohlfühlens und erfordert Ruhe und Sorgfalt in der Zubereitung. Du solltest also nicht unter Zeitdruck stehen, wenn du einer ostfriesischen Teestunde beiwohnen möchtest. Im Gegensatz zu vielen anderen Teezeremonien konzentrierst du dich nicht meditativ auf dich selbst, sondern es wird sich lebhaft unterhalten, oder “Klönschnack” betrieben. Ausgesprochen gerne haben die Ostfries:innen beim Teetrinken Gäste um sich, denn die Teetied ist Ausdruck ihrer berühmten Gastfreundschaft. Wenn du als Gast in diese liebevolle Tradition eintauchst, so solltest du wissen, dass eine leere Tasse automatisch nachgefüllt wird, bis du das Stopp mit deinem Löffel in der Tasse signalisiert - aus Höflichkeit erst nach mindestens drei Tassen, denn “dree ist Ostfreesenrecht”!
Die echte ostfriesische Mischung gibt es ausschließlich lokal, denn nur vier Firmen dürfen den Ostfriesentee mischen und verpacken. Eine interessante Kuriosität ist die Weitergabe einer bevorzugten Teesorte innerhalb der Familie. Ob mit einem Augenzwinkern oder ernst gemeint, es heißt, dass es ab und an zu Spannungen kommt, wenn zwei Personen heiraten, deren Familien nicht dieselbe Teefirma präferieren. Doch selbst dann finden die freundlichen Ostfries:innen bei einer Tasse Tee eine Einigung.
Nation der Teeliebhaber:innen: Warum wird in Ostfriesland so viel Tee getrunken?
Die Anfänge der ostfriesischen Teekultur reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück, als Tee vor allem durch die Briten und Niederländer seinen Weg nach Ostfriesland fand. Die unmittelbare Lage am Wasser und die dadurch gegebenen Handelsverbindungen verschafften Ostfriesland Zugang zu diesem Getränk, welches schon 100 Jahre später in allen Gesellschaftsschichten weit verbreitet sein würde. Da Wasser damals aus hygienischen Gründen abgekocht werden musste, war Tee eine willkommene Geschmackszugabe. Kaffee war zu dieser Zeit knapp und teuer und auch Bier löste der Tee schnell als Lieblingsgetränk ab. Über die Jahrhunderte integrierten die Ostfries:innen Tee immer mehr in ihren Alltag. Grund dafür dürfte vor allem die raue, windige Natur der Region sein, die sehr zum Genuss eines wärmenden Getränks einlädt. Der herzliche und gemütliche Akt des Teetrinkens ist zudem eng mit den hochgeschätzten Werten der Gastfreundschaft und Gemeinschaft verbunden und mittlerweile ein wichtiger Ausdruck des kulturellen Erbes der Ostfries:innen.

Im internationalen Vergleich ist die Teekultur Ostfrieslands einzigartig. Das spezielle Trinkritual mit Kluntje und Wulkje, die regionale Schwarzteemischung des Ostfriesentees und der hohe Pro-Kopf-Verbrauch sorgen für einen unverwechselbaren Status unter den Teenationen weltweit.
Ostfriesland und die Teekultur weltweit: Eine Verbindung von Tradition und Moderne
Hast du schon einmal Tee nach ostfriesischer Art genossen? Ihre Teezeremonie ist mit Sicherheit etwas, das man mindestens einmal erlebt haben sollte. Sie woanders als in Ostfriesland zu rekreieren erweist sich nicht als allzu einfach. Zwar sind Ostfriesentee, Sahne und Kandiszucker vielerorts erhältlich, aber das Leitungswasser mit dem besonderen Aroma bleibt einzig und allein den Ostfries:innen vorbehalten. Einen Versuch ist es trotzdem wert, nicht wahr?
Zwar gibt es bei PAPER & TEA keine typische ostfriesische Teestunde, allerdings haben wir einige erstklassige pure Schwarztees und Schwarztee-Mischungen, deren kräftige Aromen wunderbar mit Zucker und Sahne harmonieren. Zum Beispiel unser Assam-Schwarztee NANDANA aus Indien oder unser Frühstückslieblings-Mischung HUNKY DORY BREAKFAST bieten einen wunderbaren Genuss für Schwarzteefans. Damit kannst du dir eine gemütliche Teestunde machen!
